Mikrofon und Kopfhörer im Ton-Studio Hamburg vor schwarzem Hintergrund
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„Sie müssen morgens um Acht einen Orgasmus schaffen!“

Ich muss ziemlich entgeistert ausgesehen haben, als ein renommierter Ton-Regisseur der alten Garde bei Studio Hamburg Synchron das genauso im Aufnahmestudio zu mir sagte. Damals habe ich bei NDR media, der Marketing Tochter vom NDR gearbeitet und durfte einen Schnuppertag bei Studio Hamburg verbringen.

Und so kam es, dass ich bei mehreren Synchron Sessions dabei sein und zuhören durfte, wie ein professioneller Sprecher eine Rolle für die Serie „Inspector Barnaby“ einsprach. Ich war „geflashed“ und etliche Stunden vergingen gefühlt wie im Flug. Die Arbeit mit der Stimme hat mich immer fasziniert, da ich zum damaligen Zeitpunkt schon eine umfangreiche Gesangsausbildung absolviert hatte.

Ich hatte den Regisseur damals gefragt, was man für eine Ausbildung braucht, um Synchronsprecher (oder überhaupt Sprecher) zu werden. Mein damaliges, sehr fragiles Selbstvertrauen zerbröselte stillschweigend, als er aufzählte, was man als professioneller Sprecher alles können, beherrschen und abliefern muss. „Vergessen Sie das also lieber mal ganz schnell wieder. Sie haben ohnehin keine Chance“. ? IN – YOUR – FACE. Wow.

„Wir laufen“ sagt der Regisseur. Der Screen ist schwarz, der Tonmeister fährt die Regler am Mischpult hoch. 4 – 3 – 2 – 1 – Go. Die stumme Szene auf der Leinwand geht los. Jetzt musst Du adhoc liefern, im richtigen Tempo synchron zu den Lippenbewegungen des Schauspielers auf der Leinwand, genau in der passenden zeitlichen Länge und vor allem mit überzeugender Emotion auf Knopfdruck, die in der Szene gefordert ist. Aus meiner Sicht die absolute Königsdisziplin im Sprecherhandwerk!

Den Text üben is’ nich‘. Synchronsprechen läuft prima vista, also bei Sicht, vom Blatt. Das heißt, Du bekommst den Sprech-Text vor die Nase, hast eigentlich keine Zeit ihn vorzubereiten und dann geht es auch schon los. Alles beachten. Alles sehr viel. Alles auf einmal.

Da ich seit damals auch Schauspielunterricht genommen habe, weiß ich heute, was der Regisseur mit seinem Spruch gemeint hat. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass er mir weniger harsch und mit ein bisschen mehr Wohlwollen und positivem Zuspruch begegnet wäre…. Fast hätte er es geschafft, mich mit seinen Worten komplett und dauerhaft zu entmutigen.

Erst einige Jahre später habe ich mich getraut und habe eine Ausbildung zur professionellen Sprecherin gemacht.

Wie gut, dass ich letztendlich doch auf meinen Bauch gehört habe und dass meine Faszination fürs Sprechen gesiegt hat. Hätte ich auf die ganzen achtlosen, negativen Äußerungen in meinem Umfeld gehört, hätte ich kein Abitur („dazu bist Du gar nicht in der Lage“), hätte keinen meiner diversen Berufsabschlüsse durchgezogen und wäre erst recht keine Sprecherin geworden.

Hat Dir auch schon mal jemand Deinen Berufswunsch abgesprochen oder gar ausgeredet?

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